Die „Strohmann-Variante“ bei der Gründung von MVZ

Die „Strohmann-Variante“ bei der Gründung von MVZ und deren strafrechtliche und vertragsarztrechtliche Konsequenzen

Auf der Grundlage von § 95 Absatz 1a SGB V können Medizinische Versorgungszentren (MVZ) nur noch von zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten, Zahnärzten und Krankenhäusern, Erbringern nichtärztlicher Dialyseleistungen nach § 126 Absatz 3 SGB V, von anerkannten Praxisnetzen, von gemeinnützigen Trägern, die auf Grund Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen oder von Kommunen gegründet werden.

Eine Umgehung der Gründungsbeschränkungen kann jedenfalls dann, wenn es zur Aufdeckung unzulässiger Beteiligungs-und Gründungsverhältnisse kommt, schwerwiegende Konsequenzen, etwa in Form von Honorarberichtigungen des MVZ, haben.

Das Landgericht Hamburg hatte 2019 (LG Hamburg, Urteil vom 11. März 2019 – 618 KLs 2/17) über einen Sachverhalt zu entscheiden, bei dem ein Apotheker und ein zugelassener Vertragsarzt zwei MVZ gründeten. Der Apotheker versprach sich von der Teilhabe eine privilegierte Verordnung von hochpreisigen Arzneimitteln, insbesondere Zytostatika, durch das MVZ zugunsten seiner Apotheke.

Da der Apotheker nicht die Gründungsvoraussetzungen erfüllte, engagierte man einen „Strohmann“ in Person eines zugelassenen Vertragsarztes, der im treuhänderischen Auftrag des Apothekers, jedoch im eigenen Namen die Gesellschaftsanteile formal-rechtlich korrekt erwarb, im Außenverhältnis als Gesellschafter auftrat und ausschließlich die Interessen des Apothekers vertrat. Hierfür erhielt dieser eine regelmäßige Vergütung vom Apotheker.

Das Landgericht vertrat in seinem Urteil die Rechtsauffassung, dass ein Verstoß gegen die Gründungsvoraussetzungen des § 95 Absatz 1a SGB V zur fehlenden Abrechnungsfähigkeit der vom MVZ erbrachten Leistungen führt, selbst wenn diese ordnungsgemäß erbracht wurden. Damit liege ein Umgehungstatbestand vor, der den Straftatbestand des gewerbsmäßigen – und bandenmäßigen Abrechnungsbetruges erfüllt. Die beteiligten Gesellschafter, d.h. der ordentliche Vertragsarzt und der Strohmann wurden daraufhin zu Freiheitsstrafen von 6 bis 10 Monaten, ausgesetzt zur Bewährung und der Apotheker zu 3 Jahren und 6 Monaten Freiheitsentzug ohne Bewährung verurteilt.

Das MVZ verlor seine Zulassung und das für die erbrachten Leistungen gezahlte vertragsärztliche Honorar wurde zurückgefordert.

Der BGH (Urteil vom 19.08.2020, 5 StR 558/19) hat die Entscheidung nunmehr weitestgehend bestätigt, jedoch die Strafaussprüche und die Entscheidung zur Höhe des eingezogenen Honorars (durch Gericht) aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das LG zurückverwiesen.

Es bleiben durchaus verfassungsrechtliche Zweifel an dieser Entscheidung bestehen. Denn während Krankenhäuser, börsennotiert und nicht selten in Inhaberschaft großer Investmentfonds, weiterhin zur Gründung von MVZ berechtigt sind, bleibt es anderen Leistungserbringern seit Inkrafttreten des GKV- VStG verwehrt, von ihrer durch Art. 12 GG geschützten Freiheit, Unternehmen zu gründen oder sich an ihnen zu beteiligen, Gebrauch zu machen (problematisiert wird dies auch in der Stellungnahme des Medizinrechtsausschusses des Deutschen Anwaltsvereins zum GKV-VStG, vgl. ZMGR 2011, S. 223 (225)).

Im Ergebnis muss aber unstreitig bleiben, dass selbst bei weniger einschränkenden Gründungsvoraussetzungen die medizinische Entscheidungsfreiheit der Ärzte gewahrt bleiben muss. Eine Einflussnahme – wie im hiesigen Fallbeispiel – auf das Verordnungsverhalten der im MVZ tätigen Ärzte muss ausgeschlossen sein.

RA Torsten Jahnel LL.M. , FA für Medizinrecht, Master of Laws Medical Law